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  • alkemartens

Tag der Arbeit


Dass der Tag der Arbeit in diesem Jahr auf deinem Sonntag liegt, finde ich sehr sehr lustig. Ein herrlicher Anachronismus, dann noch direkt in der Neumondenergie, erste Solareclipse im astrologischen Jahr und Seeigelversteinerung am Strand gefunden. Was kann da noch alles passieren heute?


Ich habe vor einiger Zeit mal einen Buchbeitrag zum Thema Beruf und Arbeit geschrieben, der aber nie veröffentlicht wurde. Und da ich derzeit dabei bin, meine Seite, meinen Youtubekanal und meine Podcast auszubauen (mal abgesehen von meine anderen Social Media Plattformen) dachte ich, es ist an der Zeit, das gute Stück Text hier mal hervorzuzaubern und zu verbloggen (Wortneuschöpfung).


Die Frage, der ich damals nachgegangen war, ist folgende: habe ich nur einen Social Media Kanal oder betreibe ich bereits einen Online Business?


Um sich diesem Thema zu nähern, ist es zunächst wichtig zu begreifen, wie wir in unserer heutigen Gesellschaft mit dem Thema „Arbeit“ umgehen und was genau der neudeutsch so oft verwendete Begriff „Business“ umfasst. Hier entdecken wir bereits im Sprachschatz ein Grunddilemma, das in den nächsten Schritten aufgedeckt werden soll. Der Bezeichnung „Arbeit“ nähern sich verschiedene Wissenschaften auf leicht unterschiedliche Weise. Im sozialwissenschaftlichen Umfeld gibt es beispielsweise den Gedanken, dass Arbeit erst im Übergang vom Tier zum Mensch gefunden wird (1). Arbeiten ist dieser Interpretation nach eine zutiefst menschliche Handlung, im weiteren Sinne kulturschaffend und prägend für unsere heutige Gesellschaft, insbesondere in der Zeit der Industriellen Revolution. Der Umgang mit „arbeiten“ versus „nicht arbeiten“, „arbeitslos sein“ und „Arbeit suchend“ ist heutzutage anders als noch vor hundert Jahren. Spür diesen Bezeichnungen mal nach – es ist sehr interessant, was für unterschiedliche Emotionen bei einer Aussage „ich arbeite“ zu „ich arbeite nicht“ oder auch „ich suche Arbeit“ entstehen!

Die Einstellung des Menschen zu Arbeit, die Anerkennung von Arbeit als gesellschaftliches Konstrukt und die Wahrnehmung des Wertes von Arbeit ist dynamisch, also permanent im Wandel. Das können wir auch aktuell im Kontext der Digitalisierung beobachten. Wann arbeitest du? Wo arbeitest du? All dies, was in der Generation unserer Eltern noch so eng und strikt war, löst sich langsam und ändert sich. Dies wird allein schon an einer einfachen Fragen deutlich: ist „Surfen“ (also im Internet surfen!) Arbeit? Für manche schon...

Doch kommen wir zum zweiten Begriff: Business – zunächst klar die Anglifizierung von „Arbeit“. Doch stimmt das? Schauen wir genauer hin: Aktuell bezeichnet Business im englischen Sprachraum eigentlich ein Unternehmen, ein Geschäft oder ein Gewerbe. Ursprünglich geht der Begriff auf eine altenglische Bezeichnung zurück (zumindest nach (2)), was so viel bedeutete wie „beschäftigt“. Die deutsche aktuelle Bezeichnung „Geschäft“ klingt ähnlich wie „schaffen“. Etwas zu schaffen ist eine schöpferische Tätigkeit, ein kreativer Prozess oder auch – im Schwäbischen beispielsweise „schaffe“ – eine Bezeichnung für menschliche Arbeit. Entsprechend ist Business nicht nur assoziiert mit einem Unternehmen oder Gewerbe, sondern eben auch mit einem Prozess der Herstellung von etwas. Interessant wird das Ganze dann, wenn man „Schaffen“ nicht nur als Prozess der Herstellung begreift, sondern eben auch als Bedeutung „für etwas geschaffen sein“. Hier geht das einfache Herstellen, emotional neutral gesehen, in das emotional positiv besetzte Thema der Berufung über – und schon befinden wir uns in einer neuen Wortgruppe und damit fast schon in einer Falle. Denn auch das Thema „Beruf“ als der Ort, an dem Business stattfindet, oder eben auch an dem gearbeitet wird, umfasst eben auch zumindest von der Wortidee her den Gedanken der Berufung. Bist du geschaffen für dein Geschäft? Oder ist dein Beruf deine Berufung? Und was machst du, wenn du das beides mit Nein beantwortest? Am Ende ist es nämlich nur dein Leben, das du da gerade lebst.


Kommen wir zurück zur Titelfrage: ist mein Onlinepräsenz schon ein Business? Hier geraten wir sehr leicht in ein Spannungsfeld, das überwiegend mit dem Begriff „Arbeit“ assoziiert wird. Arbeit hat ethymologisch gesehen einen alten Bezug aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen zu Not, Mühsal und Strapaze (1). Entsprechend wird interessanter Weise heutzutage in Deutschland von einem Menschen, der „Arbeit hat“ erwartet, dass dies für den Menschen eine gewisse Mühsal und eine gewisse Qual bedeutet. Interessanter Weise stimmt hier die Opposition nicht: wenn jemand, der Arbeit hat, sich abmühen und quälen muss, dann müsste jemand, der keine Arbeit hat, ja mit Leichtigkeit gesegnet sein. Dies ist aber nun leider gesellschaftlich gar nicht so. Während der Eine sich auf der Arbeit quält, aber froh ist, dass er sie hat – und damit eben auch die gesellschaftliche Anerkennung – ist der, der arbeitslos ist, der Arme, zu bemitleidende, der droht aus der Gesellschaft und ihren Netzen herausgedrängt zu werden.

Rein von der historischen Wortbedeutung schließt sich dann die Frage an: wenn ich etwas tue, was ich gerne mache, arbeite ich dann? Wenn ich etwas mit Leichtigkeit tue, darf ich das dann überhaupt „Arbeit“ nennen? Dies deckt Schattenthemen unserer derzeitigen Gesellschaft auf. Arbeit adelt, aber Arbeit ist mühsam. In früheren Zeiten galt: Arbeit ist ein Zeichen der Unfreiheit (als kurze Zusammenfassung siehe (1)). Diese Einstellung ist nicht so ganz alt. Wenn wir uns überlegen, dass sieben Generationen Ahnen auf uns wirken, dann sind die Ahnen bei denen Arbeit negativ assoziiert war, in unserer Ahnenreihe tatsächlich in der Überzahl. Welchem energetischen Spannungsfeld sind wir also ausgesetzt, wenn wir bei der Arbeit Freude haben? Oder Leichtigkeit?

Hinzu kommt, dass wir aktuell einen gesellschaftlichen Wandel in der Arbeitswelt live verfolgen können. Während in dem letzten Jahrhundert sehr klar war, dass ein Beruf einmal im Leben ausgewählt wurde und dann von der Idee her ein Leben lang behalten wurde, so sieht es derzeit so aus, als wenn diese Idee überarbeitungswürdig ist. Menschen wechseln ihren Business in der Lebenszeit mehrfach – und öffentlich sichtbar, indem sie darüber reden und sich zeigen. Menschen sind damit öffentlich sichtbar, dass sie mehrere Berufe haben, dass sie auf „1000 Hochzeiten tanzen“, absurde Tendenzen miteinander verbinden. Damit fungieren sie als gesellschaftliche Katalysatoren, die bei anderen Menschen Prozesse anregen, sie darum gleichsam zum Wandel aktivieren und, wenn es gut läuft, einen Prozess hin zu einer freieren Gesellschaft initiieren. Allerdings ist es schwierig, als Teil des Prozesses über den Prozess zu urteilen – dies soll anderen Generationen überlassen bleiben. Jede der positiven Bewegungen hat jedoch auch eine Schattenseite: „auf tausend Hochzeiten tanzen“ assoziiert sehr leicht mit „sich verzetteln“, nicht fokussiert sein und damit im gleichen Gefühlsstrom die Idee, nicht erfolgreich sein zu können, weil man ja eben nicht fokussiert genug ist. Zu vielfältig, nicht greifbar, nicht vertrauenswürdig.

Dritter Aspekt der obigen Fragestellung taucht dann schließlich die ganze Frage auf: ist meine Aktivität in den Social Media bereits ein Business? Hierzu müssen wir schauen, was auf der anderen Seite des Business steht, denn wenn es kein Business ist, was ist es denn dann? In unserer heutigen Gesellschaft unterscheiden wir zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit – was bei uns meist als Freizeit bezeichnet wird. Wenn also meine Onlinepräsenz kein Business ist, dann ist sie meine Freizeit. Viele Menschen überlegen, die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit an der Stelle zu ziehen, an der sie zwischen einem Geldgeschäft und einer einfachen Präsenz im Sinne des „ich bin sichtbar“ unterscheiden. Hier ist die Linie oft sogar noch enger gedacht gemäß der individuellen Überlegung: kann ich von meiner Präsenz im Social Media leben oder nicht. Wenn nicht, gilt es häufig nicht als Arbeit (bzw. als Business) sondern zwingt den Betreiber der Präsenz, zusätzlich eine Arbeit aufzunehmen – diese dann wiederum oft als Mühsal entsprechend dem ursprünglichen Begriff. Doch ist diese Trennlinie korrekt und überhaupt noch aktuell? Im ursprünglichen Zusammenhang von „Arbeit“ als kreativen Schaffensprozess ist jede Onlinepräsenz das Ergebnis einer Arbeit – und damit ein Business. Ganz egal, ob dies im legalen, juristischen Sinn ein „Geschäft“ (also Business) ist, oder nicht. Ein Geschäft im juristischen Sinn entsteht natürlich dann, wenn man einen Handel mit zahlenden Kunden aufmacht und dann nach deutscher Gesetzgebung auch steuerpflichtig ist. Dabei ist es in erster Linie egal, ob man von diesem Geld leben kann. Dies ist im genannten Zusammenhang aber nicht gemeint. Die Darstellung hier hebt eher darauf ab, ob im individuellen Kontext, für den Schaffenden einer Onlinepräsenz, diese Onlinepräsenz ein Business, also eine Arbeit ist, oder nicht. Wenn nicht, dann wäre sie seine Freizeit. Eine interessante Falle übrigens, in der sich viele von uns finden: ich habe meine (gesellschaftlich akzeptierte) Arbeit, bei der ich Geld verdiene – impliziert dann, dass ich im Online Business ja nur in meiner Freizeit aktiv bin, entsprechend also hier für meine Angebote gar kein Geld nehmen kann. Sonst wäre es ja nicht meine Freizeit.

Nun ist es insbesondere in der digitalen Welt zunehmend schwer, zwischen Arbeit und Freizeit trennscharf zu unterscheiden. Es gelingt uns, wenn wir in der Freizeit Essen gehen, uns mit Freunden treffen oder Sport machen (sofern wir nicht Trainer sind). In dem Moment, indem wir uns mit unserer Präsenz in Social Media auseinandersetzen, sie professionalisieren, sie neu ausrichten, bei anderen schauen, wie was gut gemacht wird, uns mit Algorithmen auseinandersetzen (und sich ihnen schlimmstenfalls anpassen), arbeiten wir in unserer Freizeit. Bekommen wir dadurch Geld? Eventuell nicht. Oder vielleicht auch nicht unmittelbar. Hier müsste man dann schauen, was genau Geld ist. Wenn Geld wahrgenommen wird als ein Fluss an Aufmerksamkeit und Energie, dann hilft es, den Fokus zu verschieben. Bekommen wir für unsere Social Media Präsenz Aufmerksamkeit, eventuell sogar Energie? Was genau ist die Währung des Internet? Wenn das Internet begriffen wird als Basis der Werbung, als Marketingmaschine, die quasi in einer Dauerschleife Werbung macht (diese Sicht ist mir als Informatikerin ein Graus, entspricht in Social Media aber der Realität!), dann ist jede Interaktion mit einer Seite ein „Gewinn“ aus Marketingperspektive. Dann muss noch kein Geldfluss in der Welt außerhalb des Internet stattgefunden haben, aber es hat ein Fluss der Aufmerksamkeit stattgefunden. Die Grundwährung des Internet ist zunächst mal das „Like“ (bzw. auch das „Dislike“) – hier wird Aufmerksamkeit verschenkt, es wird kommuniziert: du bist okay, ich sehe dich, ich erkläre öffentlich, dass ich deinen Gedanken / deine Darstellung / deine Meinung mag (in vielen Social Media Plattformen sogar als Herz symbolisiert). Die nächste Stufe ist der Kommentar – im Sinne von „ich setze mich mit dir auseinander“, ich gehe in den Dialog. Es folgt dann die Weiterempfehlung von anderen Personen. Hier ist die Anerkennung noch höher. Wird Internet als Quelle von Information begriffen (was mir persönlich viel angenehmer ist!), dann wird es etwas schwieriger – denn das Aufnehmen von Information durch andere Nutzer wird zunächst nicht in irgendeiner Währung entlohnt und erscheint eher altruistisch. Doch auch hier geht es irgendwann um Aufmerksamkeit oder auch um Anerkennung. Hier steckt die zweite Falle: ich biete ja nur Information an. Dies ist ja kein Wert, weil ich kein Gut hergestellt habe. Der Umgang mit Information im Kontext von Geldflüssen ist ein ungemein schwieriges Thema, das ein eigenes Kapitel erfordern würde. Es bleibt soviel zu sagen: der Wert einer Information kann sehr schwer bemessen werden, ist dynamisch und zeitabhängig. Hier driften wir jedoch zu weit vom Kernthema ab. Fakt bleibt: wenn du eine Information bereitstellen kannst, die jemand anders gerne in diesem Moment haben möchte, dann ist zumindest Energie und Aufmerksamkeit geflossen. Es ist dann egal, ob es eine brandneue Information oder nur deine Interpretation ist – der Rezipient bekommt sie eben von dir und schätzt die Art und Weise, wie du damit umgehst, sie darstellst, ja bestenfalls schätzt er sogar dein Angebot.

Es gibt noch eine dritte Falle, die überhaupt nicht offensichtlich ist. Üblicher Weise erwerben wir einen Beruf indem wir eine Ausbildung machen. Dies ist in Deutschland der Standard. Nicht immer deckt sich der Beruf mit der Ausbildung, aber er leitet zumindest dahin. Eine Gesellschaft, in der ein Mensch als Autodidakt einer Berufung folgt, sich Lehrer*innen sucht oder eben Information, dann Spezialist*in eines Themas wird und damit den eigenen Lebensunterhalt finanzieren kann, gibt es sehr selten in der öffentlichen Wahrnehmung. Im Internet sind wir zunächst mal alle gleich. Dies entspricht auf der Basisidee des Internet: keine Politik, keine Werbung, keine Hierarchien, keine Titel. Alle sind gleich und haben das gleiche Recht, Informationen beizutragen. Aber eben auch keine Berufe und damit keine bescheinigte Expertise. Dies hat sich von der Ur-Idee des Internet bis heute ganz anders entwickelt. Heute ist das Internet zutiefst durchdrungen von Marketing und Werbung. Die Falle selbst besteht nun darin, dass jede*r im Internet potenziell die Möglichkeit hat, sich selbst als Experte*in zu verkaufen. Aber viele Menschen, die einen Online Business starten, stehen vor dem Problem, dass sie das, was sie dort anbieten, autodidaktisch gelernt haben – in Online Schulungen, aus Büchern, durch das Leben. Viele Menschen stehen dann vor dem Problem, dass sie kein Zeugnis haben, dass ihre Fähigkeit bescheinigt. In Deutschland haben wir nach wie vor einen sehr hohe Anerkennung von Abschlüssen und ein fast ebenso hohes Misstrauen darüber, wie jemand seine Kompetenz außerhalb von Abschlüssen aufgebaut hat. Ist das vielleicht deine Falle? Brauchst du noch ein Zertifikat, damit du in der Öffentlichkeit behaupten kannst, dass du das, was du dort anbietest, überhaupt als deinen „Business“ anbieten darfst? Darfst du etwas verkaufen, was jemand anders nicht zertifiziert hat? Dann überleg mal genau, was mehr zählt: gelerntes Wissen oder ein Zertifikat.


Es bleibt am Ende des Artikels festzuhalten: natürlich ist der Aufbau einer Online Präsenz Arbeit. Im besten und im schlechtesten Sinne. Die Grenze besteht darin, wo man sich fragt: lasse ich es einfach sein, oder mache ich weiter. Wenn das Ziel ist, sich zu zeigen, seine Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, sich anzubieten, egal ob online oder in-real-life, egal ob für einen Diskurs oder für ein monetäres Geschäft, dann hat man einen Online Business. Nicht notwendiger Weise im juristischen Sinne. Im Sinne der investierten Zeit und Intensität – also im Sinne des kreativen Schaffensprozesses – auf jeden Fall. Alles andere wären zufällige, nicht aufwändige Postings. Bei denen man sich dann natürlich auch fragen kann, warum sie öffentlich gemacht werden müssen.

Also noch genauer: wenn ich öffentlich meine Meinung darstelle, wenn ich öffentlich in einen Diskurs trete, mache ich minimaler Weise Personenmarketing. Wenn ich dann noch Dinge oder Handlungen anbiete, mache ich bereits etwas, was ich mir vorher gut überlegt haben sollte. Es könnte ja sein, dass jemand das sucht – und bucht.


Und spätestens dann habe ich: einen Online Business.



Literatur:

1: Wikipedia Eintrag Arbeit (Sozialwissenschaften), zuletzt besucht am 23.06.2021

2: Wikipedia Eintrag zum Suchbegriff „Business“, zuletzt besucht am 23.06.2021


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