- alkemartens
Wissen? Wer weiß...
Aktualisiert: 21. Nov. 2021

Der Begriff Wissen ist sehr sehr schwer zu fassen - was erstaunlich ist, denn er wird häufig verwendet.
Was weißt du? Was weiß ich?
Wie funktioniert Wissensvermittlung? All dies wird oft diskutiert und analysiert, von rechts nach links und wieder zurück geschoben, gebrainstormed oder auch geshitstormed. Wer weiß schon so genau was sich alles unter dem Denkmäntelchen des Wissens ereignet.
Schauen wir uns den Begriff mal genauer an.
Angeblich kommt die Bezeichnung "Wissen" von einem althochdeutschen Wort, das so ähnlich wie wizzan geschrieben worden ist (oder sogar genau so, behauptet der Wikipediaeintrag zum Schlagwort "Wissen"). Spannend dabei - ist es euch aufgefallen? - ist, dass das Wort wizzan so ähnlich klingt wie das Wort wizard (englisch für Zauberer). Ist der Zauberer also ein Wissender? Diese Überlegung ist schonwieder Stoff für einen Fantasyroman, aber das ist jetzt gar nicht das Thema (ebenfalls ist nicht Thema, was der Unterschied zwischen einem Zauberer und einem Magier ist - das werde ich an anderer Stelle mal beleuchten). Ebenfalls behauptet die Wikipedia zum Eintrag "Wissen", dass es eine indogermanische Form gibt, die *woida heißt und sich übersetzen lässt mit "ich habe gesehen" (und damit auch "ich weiß")
Und jetzt wird es spannend: wissen bedeutet demnach, etwa gesehen zu haben! Lass dir das mal genau in den Kopf einsickern. Wissen hat demzufolge nämlich etwas mit dir zu tun! Überleg allein mal, was mit all dem Wissen passieren würde, wenn du jetzt tot umfällst. Es ist futsch. Es sei denn, du hinterlegst es irgendwo....
ABER... wenn Wissen irgendwo aufgeschrieben wird, ist es kein Wissen mehr. Dann ist es Information.
Bevor wir auf den Unterschied noch genauer eingehen müssen wir nochmal einen Schritt zurück machen. Es gibt keine konkrete Definition dafür, was Wissen ist. Die einen sagen, es seien Fakten, die anderen sagen, es seien Erlebnisse. Wenn es Fakten sind, dann wäre alles, was du zwischen den Ohren bewegst, was du "weißt", ein Fakt. Das denken zwar viele Menschen so von sich, ist aber nicht wirklich der Fall. Wenn es Erlebnisse sind, dann sind sie nicht vermittelbar. Wissen muss also etwas zwischen einem Faktum und einem Erlebnis sein.
Das Ganze wird noch schlimmer, wenn man sich überlegt, dass es wissensgeschichtlich kein Wissen an sich gibt. Jede Epoche, jede Kultur, jede Zeit hat ihr "eigenes" Wissen. Auch wenn wir heute davon überzeugt sind, dass die Welt mehr oder weniger eine Kugel ist - das war nicht immer so! Damit meine ich jetzt die Überzeugung, nicht die Kugel. Ganz klar wird das im Hinblick auf Geschichtsschreibung - und ich will jetzt hier nicht mit der Rolle der Frau in der Geschichte anfangen - auch das ist ein Thema für einen anderen Blogeintrag. Festzuhalten bleibt: Wissen ist gesellschaftlich, es kann nur im Kontext interpretiert werden (also gesellschaftlich, kulturell, historisch) und es gibt immer eine Kontextualisierung - das heißt, das klassische zweiwertige Logik mit wahr und falsch nicht angewendet werden kann. Wissen entsteht in deinem Kopf, wenn du etwas liest, über etwa nachdenkst, dich mit etwas beschäftigst (mit diesem Blogbeitrag beispielsweise). Und du kannst es erstens nicht verhindern (Wissenskonstruktion ist ein sogenannter kognitiver Prozess) und zweitens weißt du nicht, ob das, was dein Kopf da jetzt gebastelt hat, die Wahrheit ist (falls es so etwas überhaupt gibt...). Es kommt noch schlimmer: du bist ein Kind deiner Zeit, deiner Kultur, deiner Lebensumstände. Viele Dinge, die du dir vielleicht grade noch vorstellen kannst, weißt du nicht! (Zum Beispiel: wie es war, damals nach dem zweiten Weltkrieg).
Wissen steht im Gegensatz zu Glauben, Überzeugungen und Meinungen. Aber es ist verdammt schwer, es davon abzugrenzen. Wissen kann als Machtinstrument verwendet werden - indem Kategorien geschaffen werden, Klassifizierungen erzeugt werden, die Menschen in eine bestimmte Fokussierung geleitet werden (und auch von anderen Themen damit abgelenkt werden). Wissen ist auch immer eine Realitätsbewältigung - nicht nur bei den sogenannten Urvölkern, die in einer Welt voller Mythen und Geistern lebten, sondern auch immer noch und immer wieder bei uns - und ich frage mich manchmal, welche der Welten denn nun tatsächlich die bessere ist.
Wenn ich also hier mein Wissen preisgebe - so in meiner ganzen professoralen Herrlichkeit, ach nein, Verzeihung, Fraulichkeit natürlich - dann habe ich schon gar kein Wissen mehr. Oder doch? Wie oben schon angedeutet, ist das Wissen, was nach aussen getragen wird (externalisiert, z.B. in Form dieses Beitrags) schon kein Wissen mehr, sondern Information. Und DAS ist ein ganz anderes Thema, was zu einem anderen Zeitpunkt erläutert werden soll.
Was ist das jetzt aber mit unserer Wissensgesellschaft?
Ganz klar. In unserer westlichen Welt (der sogenannten, falls es sie so überhaupt gibt, aber du weißt ja, was ich meine...) ist Wissen ein zentraler Faktor. Bereits in der Schule geht es um Wissensvermittlung (ja, ich habe ja oben schon gesagt, dass das nicht geht - es ist vor allem Informationsvermittlung), dann geht es um Lebenslanges Lernen (was eine nie endende Wissenssammlung und Verfeinerung ist) und dann geht es schließlich um die Wissensarbeiter:innen. Die in dem Moment, in dem sie ein Unternehmen verlassen, leider ja ihr ganzes Wissen mitnehmen, was ja, wie bereits gesagt, nicht vermittelt werden kann. Dafür gibt es dann die Methoden des Wissensmanagements... Auch das ist ein sehr sehr schönes Thema, das sicherlich noch einen Beitrag füllen wird. Wissensmanagement will etwas organisieren, was in deinem Kopf ist. Das KANN ausserordentlich sinnvoll sein, denn wer kennt es nicht, dass man etwas verzweifelt sucht (im Computer zum Beispiel) und es einfach nicht wiederfindet.
Ich ende mit der Frage: gibt es einen Wirklichkeitsanspruch? Und wer hätte den dann? Und damit verschwinde ich mit einem freundlichen Lächeln wieder in meiner eigenen Welt. Es ist schön dort - man kennt mich da!